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Eine Frage der Sichtweise

Autorenbild: Zsuzsanna EisZsuzsanna Eis

Aktualisiert: 29. Aug. 2023


Eine junge Frau, jüngst mit einem wohlhabenden Mann angetraut, saß mit einer Freundin beieinander. Beide verband eine frische Freundschaft und so zeigte die stolze junge Frau ihren glänzenden Ring.

Sich für die neu verheiratete Freundin freuend, fragte sie nach der ersten gemeinsamen Verabredung mit den heute Angetrauten.


Die Augen der jungen Frau begannen zu leuchten. Nur zu gern berichtete sie ihrer neuen Freundin von diesem bedeutsamen Zusammentreffen.


„Meine Liebe, ich kann kaum in Worte fassen, mit wieviel Anstand und Feingefühl mein Liebster mir damals begegnete. Stell dir nur vor! Empfangen hat er mich mit dem größten Lilienstrauss, den ich bis dahin in meinem Leben gesehen hatte. Ich besaß kaum eine Vase in solcher Größe.

Gemeinsam unternahmen wir einen Spaziergang durch den Park. Dort nahm er zärtlich meine Hand. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich war voller Sorge, dass mir meine Aufregung im Gesicht stand. Du musst wissen, dass meine Wangen zu Weilen, ganz rot vor Aufregung werden können.

Danach lud er mich in ein exotisches Restaurant ein und es war mir erlaubt, Speisen zu probieren, die ich zuvor nicht gekannt hatte.

Doch nichts kam an den krönenden Abschluss heran, den mir dieser wunderbare Mann beschert hat.

Denk nur! Er nahm mich mit auf den höchsten Aussichtspunkt der Stadt. In seinen Armen fühlte ich mich geboren und meine Höhenangst war wie weggeblasen.“



Jahre vergingen und mit ihnen die finanzielle Potenz des Ehemannes. Die Enttäuschung über den Verlust und die nötigen Einschränkungen lasteten auf ihrer Ehe und so verlor sie mehr und mehr das Interesse und die wohlwollende Sicht auf ihren Ehepartner.


An einem tristen Tag im November saß sie wieder einmal, mit ihrer mittlerweile eng gewordenen Freundin, zusammen. Frustriert und Selbstmitleidig schüttete sie ihr Herz aus. Während sie sprach erinnerte sie sich an die erste Verabredung mit ihrem Ehemann und sagte: „Ach, wie konnte ich mich in einer solch unglücklichen Ehe verfangen, waren doch die Zeichen so klar, bereits in unserer ersten Verabredung, zu sehen! Seine Achtlosigkeit mir gegenüber begann bereits mit einem intensiv riechenden Lilienstrauss. Der Geruch lag noch wochenlang auf meinen Möbeln und natürlich hatte ich kaum eine Vase in einer solcher Größe! Wie gedankenlos dieser Mann war, wo ich Lilien doch außerordentlich unangenehm finde. Der gemeinsame Spaziergang zeigte mir auch sehr schnell, wie übergriffig dieser Mann sich benehmen kann. So nahm er ohne zu fragen, meine Hand. Die Schamröte war mir sicher im Gesicht anzusehen!

Danach folgte eine unglückliche Wahl des Restaurants, in dem es nur außergewöhnliche Speisen zu finden waren. Ich wollte mich kaum an diese heranwagen. Aus einem romantischen Dinner wurde so für mich ein Abend der Überwindung und es Ekels.

Gleichwohl war die Krönung seiner Gleichgültigkeit, sein Höhepunkt unserer Verabredung. Du wirst es kaum glauben! War er doch recht schlau, denn völlig ungeachtet meiner Höhenangst nahm er mich mit, auf den höchsten Aussichtspunkt dieser Stadt. Meine Höhenangst lies mich kaum atmen und ich musste mich regelrecht an ihm festklammern.

Sein Plan muss wohl gut aufgegangen sein, nachdem ich seinen Antrag annahm.“


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