
Es trug sich zu, dass ein erfahrener Bergsteiger seinen letzten und höchsten Berg erklommen hatte.
So lang er sich erinnerte, hatte er einen Berg nach dem anderen bezwungen.
Mit jedem neuen vor ihm liegenden Gipfel wuchs in ihm ein unbezwingbarer Wille und eine unbändige Kraft, die ihn durch sein Leben leitete.
Mit jedem Abstieg fühlte er sich mächtig. So mächtig, dass er im größten Eifer glaubte, seine Macht könnte selbst den Tod bezwingen. Hat der Tod ihn schließlich auch in den gefährlichsten Situationen bisher nicht ereilen können.
Doch nun wollte sich das erhoffte Gefühl einfach nicht einstellen.
Stattdessen fand er nun in seinem Herzen eine tiefe Trauer über das erreichte letzte große Ziel. Fast schien es, als hätte dieses letzte Mal, dieser letzte Berg über ihn gesiegt.
Die Ziellosigkeit machte ihn hoffnungslos. Die Hoffnungslosigkeit machte ihn müde. Die Müdigkeit führte zur Lähmung und er ergab sich dem Alkohol.
Nach Jahren der Verzweiflung klingelte ein junger Zoologiestudent an seine Tür. Voller Aufregung berichtete dieser über seine Freude, eine solche Berühmtheit treffen zu können. Überall würden über die großen Leistungen des Bergsteigers gesprochen, denn niemand nach ihm, habe je wieder den höchsten Gipfel erreichen können.
Ungläubig und geblendet von der Überzeugung der eigenen Niederlage, sendete er den begeisterten Studenten mit kalten Worten fort.
Doch der Student ließ sich nicht abwimmeln. Er referierte über seine Liebe zur Zoologie und seinen Eifer, jedes Lebewesen auf dieser Erde zu entdecken. Nur dann könne er wahres Glück für sich erfahren.
Nun aber gab es für ihn kein unbekanntes Lebewesen mehr, in den für ihn erreichbaren Höhen. Also wolle er in die Lehre der Fauna der höchsten Gebiete dieser Erde eintauchen.
Der Bergsteiger unterdrückte seine aufkeimende Verachtung.
Welch ein naiver Junge doch vor ihm stand! Schenkte er ihm Bewunderung für Leistungen, die am Ende doch nur innere Leere mit sich brachten. Glaubte er nun wahrlich, sein Glück würde eintreten, könne er nur jedes Lebewesen auf dieser Welt kennen. Am Ende wartete auf ihn gleichwohl eine Enttäuschung.
Während er diese Gedanken in sich trug, bemerkte er sein Gefühl des Neids.
Wie gern würde auch der Bergsteiger noch einmal einen solchen Antrieb und eine solche Lebendigkeit spüren. Wie sehr sehnte auch er sich nach einem Ziel.
Nach kurzer Bedenkzeit, wünschte er dem jungen Studenten mit ehrlichen Abschiedsworten, anhaltende Freude und dass sein Wunsch sich nie erfülle.
Möge er ewig auf dem Glückspfad der Findung bleiben.
Am nächsten Morgen machte er sich auf, um erneut einen Berg zu erklimmen.
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